×

Belastungssituationen

Seelenarznei Herz-Jesu-Kraut: Wie Johanniskraut zu seinem Namen kam

Das Echte Johanniskraut, botanisch Hypericum perforatum, trägt im Volksmund unzählige Namen – unter anderem Herz-Jesu-Kraut, Herrgottsblut und Sonnenwendkraut. Die Fülle an Bezeichnungen belegt: Mit Johanniskraut und seinen vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten befassen sich Menschen bereits seit langer Zeit. Und das aus gutem Grund!

Was ist Johanniskraut?

An Wald-, Weges- und Straßenrändern, an Böschungen und in Heiden ganz Europas und Teilen Westasiens findet man es bevorzugt, das echte Johanniskraut, auch als Tüpfel-Johanniskraut oder Gemeines Johanniskraut bezeichnet. Im Juni und Juli erstrahlt seine Blüte in sattem, güldenem Gelb. Diese Art des Johanniskrauts ist diejenige, die sich als Heilpflanze in der Kräuterheilkunde seit Jahrtausenden höchster Beliebtheit erfreut. Daneben gibt es zahlreiche weitere Arten der Gattung Johanniskraut (lat. Hypericum).

Johanniskraut: Sonnensymbol und Teufelsschreck

Der Namensteil Hypericum leitet sich von den griechischen Begriffen „hyper“ (über) und „eikon“ (Bild) ab und bezieht sich auf die Ablage von Johanniskraut über Götterbildern, die der Abwehr böser Geister diente. Dieser Glaube wurde offenbar bereits in der Antike in verschiedenen Kulturkreisen praktiziert und hält sich in Form heidnischer Bräuche bis heute. Zur Sommersonnenwende, wenn seine Blüte in voller Pracht erstrahlt, wurde Johanniskraut traditionell als Abwehr- und Schutzkraut gegen bösen Zauber verwendet.

Nach nordisch-heidnischem Brauch soll die Räucherung von Johanniskraut die Kraft der langen Mittsommertage in die dunklen Winternächte übertragen. Ursprung ist die Verehrung des goldgelb blühenden Sonnenwendkrauts als Sonnensymbol und als heilige Blume des germanischen Lichtgotts Baldur, die das Dunkle besiegt.

Johanniskraut: Das Blut gegen Wunden

Bereits in der griechischen Antike ist Johanniskaut unter dem Namen Androsaimon („Mannsblut“) bezeugt. Dieser Name bezieht sich auf die Praxis, Blüten und Blätter der Pflanze zu quetschen, um das blutrot gefärbte Rotöl zu extrahieren. Hippokrates (460–370 v. Chr.) sah in ihm ein Heilmittel gegen Frauenleiden und Fiebererkrankungen. Aus dem ersten Jahrhundert nach Christus berichtet der Arzt Dioskurides in seinem Werk „Materia Medica“ von einer Verwendung des Johanniskrauts als Heilpflanze: Bei Ischias und gegen Brandwunden verschaffte es seinen Patienten in der Antike wohltuende Linderung.

Auch heute noch wird das entzündungshemmende, antibakterielle, durchblutungs- und wundheilungsfördernde Rotöl, dem die Pflanze all ihre verschiedenen Bezeichnungen mit „Blut“ als Namensbestandteil zu verdanken hat, äußerlich angewendet zur

•    Beruhigung der Haut
•    Linderung von Reizungen
•    Pflege trockener Haut
•    Beschleunigung von Heilungsprozessen kleiner Wunden
•    Hautpflege bei Sonnenbrand
•    Linderung von Muskelschmerzen
•    Linderung rheumatischer Symptome
•    Linderung bei Ischiasschmerzen

Christliche Bezeichnungen, die auf das blutrote Öl Bezug nehmen, sind beispielsweise „Herz-Jesu-Kraut“, „Herrgottsblut“, „Johannisblut“ oder „Jesuswundenkraut“.

Seit dem Frühmittelalter zieht Johanniskraut gegen Depression ins Feld

Im „Lorscher Arzneibuch“, dem ältesten überlieferten Buch der Klostermedizin aus der frühmittelalterlichen Zeit Karls des Großen, das um 785 verfasst wurde, ist ebenfalls die Verwendung von Johanniskraut als Heilpflanze bezeugt, allerdings wurde es gegen Melancholie eingesetzt. Das entspricht der heutzutage hochgeschätzten psychoaktiven Wirkung bei innerer Anwendung im Fall von
•    depressiven Verstimmungen
•    leichten Depressionen
•    mittelschweren Depressionen
•    reaktiven Depressionen

Die stimmungsaufhellende Wirkung von Johanniskraut ist angesichts der typischen Symptome mentale Erschöpfung, nervöse Unruhe, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Kopfschmerzen und Schlafstörungen in zahlreichen klinischen Studien nachgewiesen worden. Johanniskrauthaltige pflanzliche Arzneimittel wie Sedariston können also bei leichten vorübergehenden depressiven Verstimmungen eine gute und verträglichere Alternative zu synthetischen Antidepressiva sein.

Johanniskraut in Mittelalter und Neuzeit

Ab dem 13. Jahrhundert ist das Johanniskraut in zahlreichen Büchern unter verschiedenen Namen, beispielsweise als „Königskrone“, erwähnt. Paracelsus (1493–1541) hielt große Stücke auf Johanniskraut: „Es ist eine Universalmedizin für den ganzen Menschen.“ Neben der Wundheilung sei es unter anderem gegen Geister und „tolle Phantasien“ einsetzbar.

Zur Unterstützung der Wundheilung bei äußerer Anwendung blieb Johanniskraut vom späten Mittelalter bis in die Gegenwart kontinuierlich eine der beliebtesten Heilpflanzen. Außerdem wurde es gegen Gicht, rheumatische Schmerzen und – wie bereits in der Antike und noch heute – bei Menstruationsbeschwerden eingesetzt. Letztere Anwendungsmöglichkeit brachte Johanniskraut wohl die Bezeichnung „Frauenkraut“ und „unserer Frauen Bettstroh“ ein.

Sagen und Bräuche rund um das Johanniskraut

Die heutige Bezeichnung des Johanniskrauts steht in christlichem Kontext und soll an den Johannistag erinnern. Dies ist der 24. Juni, an dem Johannes der Täufer (ca. 5 v. Chr.–30 n. Chr.) geboren sein soll. Im Zuge der Christianisierung ersetzte das Johannisfeuer die heidnischen Sonnwendfeuer und verleibte sich auch die heidnische Symbolik zu großen Teilen ein. Aus Sonnenwendkraut wurde Johanniskraut. Seither sind viele Bräuche, Sagen und Geschichten rund um das Johanniskraut entstanden:

•    In der Johannisnacht vom 23. auf den 24. Juni will ein Brauch, dass heiratswillige Mädchen Johanniskraut pflücken und aufs Wasser streuen. Blühte das Kraut weiter, stand im nächsten Jahr die Hochzeit ins Haus. Welkte die Blüte, musste die Hochzeit nach dem Willen des Liebesorakels noch warten.
•    Wer nicht warten wollte, konnte einen Sud mit Johanniskraut als Liebestrank trinken und auf diese Art und Weise auf sein Glück hoffen.
•    Johanniskraut am Hut zu tragen soll dem Träger ein Jahr lang Glück und Gesundheit bescheren.

Johanniskraut: Heilpflanze des Jahres 2019

Auch abseits von Sagen und Mythen erfreut sich Johanniskraut bis heute einer großen Beliebtheit. So wird die Arzneipflanze inzwischen in einigen Ländern der Welt – darunter auch in Deutschland – gezielt angebaut. 2019 wählte eine Jury im Auftrag des NHV Theophrastus  Johanniskraut zur Heilpflanze des Jahres. Bereits im Jahr 2015 war Hypericum perforatum vom Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres gekürt worden. Und das aus gutem Grund: Johanniskraut zählt zu den intensiv erforschten Heilpflanzen und mehrere wissenschaftliche Kommissionen haben seine antidepressive Wirkung herausgestellt. Insbesondere bei leichten bis mittelschweren depressiven Verstimmungen, aber auch bei innerer Unruhe und Angstzuständen, ist Johanniskraut erwiesenermaßen wirksam. Dies liegt wahrscheinlich darin begründet, dass die Wirkstoffe der Heilpflanze das Zusammenspiel unterschiedlicher Neurotransmitter beeinflussen. So wird unter Johanniskrauteinnahme die Konzentration von Botenstoffen wie Dopamin, Serotonin und Noradrenalin im Nervensystem erhöht – und die zeigen eine stimmungsaufhellende Wirkung. Äußerlich findet Johanniskraut zudem noch heute Anwendung zur Behandlung von Wunden und Verbrennungen sowie zur Pflege empfindlicher Haut.

Erhalten Sie wertvolle Informationen und Tipps zu mehr Gelassenheit und innerer Stärke

Zum Expertenrat